Ich bin ein Läufer. Ich laufe gerne. Und das schon seit Jahren. Angefangen hat alles mit Mitte Dreißig. Unser Sohn Felix ist auf die Welt gekommen, zwei Jahre später unsere Tochter Marie. Irgendwann haben wir dann beschlossen, aufs Land zu ziehen. Damit unsere Kinder in der Natur aufwachsen. Für uns selbst war das natürlich auch wichtig. Ich liebe die Natur. Und ich liebe es, den Jahreszeiten bei der Veränderung zuzuschauen. Das geht gut, wenn man am Land lebt. Also sind wir aufs Land gezogen. Und dann habe ich mir ein Fahrrad gekauft. Um das Land um mich herum zu erkunden. Das war schön. Aber irgendwann wurde es Winter. Wie gesagt, ich liebe es, im Einklang mit den Jahreszeiten zu leben. Nur dass es mir keinen Spaß gemacht hat, im Winter Fahrrad zu fahren. Und nachdem ich ja die Natur liebe, kam es für mich nicht infrage, auf dem Ergometer zu fahren. Also musste ich mir eine Alternative zum Fahrradfahren überlegen. Und so wurde ich zum Läufer.
Das war am Anfang gar nicht so lustig, wie es sich jetzt anhört. Ich war langsam. Laaaaaangsaaaam.
Und ich hatte keine geeignete Ausrüstung. Nicht einmal Laufschuhe. Und ich hatte auch sehr wenig Ahnung vom Laufen. Aber ich habe es getan. Ich bin Laufen gegangen. Zuerst immer am Wochenende. Dann habe ich mir Laufschuhe gekauft. Und Laufbekleidung (für den Winter). Und dann habe ich eine Laufzeitschrift abonniert. Und damit begonnen, mich mit dem Laufen zu beschäftigen.
Ich habe mir Laufbücher gekauft. Und ich habe sogar eine Ausbildung zum Lauftrainer gemacht. Eines meiner Lieblingsbücher zum Thema Laufen ist “Die Laufformel” von Jack Daniels (ja ich weiß …).
Jack Daniels war ein erfolgreicher Trainer von Elite-Langstreckenläufern. In seinem Buch gibt es eine Stelle, die mir besonders gut gefällt.
Es geht darum, was alles während eines Wettkampfes passieren kann und wie man mit der jeweiligen Situation umgehen soll.
Eine Schwierigkeit, die während eines Laufwettkampfs auftreten kann ist, dass man denkt, man ist am Ende und kann nicht mehr. Die Gedanken kreisen nur mehr um das Thema Aufgeben. Du liebäugelst damit, aus dem Wettkampf auszusteigen. Und ich kann dir sagen: das ist mir bei meinen eigenen Wettkämpfen nicht nur einmal passiert. Gerade bei Stadtmarathonläufen denke ich ganz regelmäßig ans Aufgeben. So ein Marathon ist schon eine fiese Sache. Die erste Hälfte ist ja meistens kein großes Problem. Aber dann, so nach dreißig Kilometern, wird es wirklich hart. Weil ich, wie immer, die erste Hälfte viel zu schnell angelaufen bin. Du spürst, wie die Beine schwer werden. Dein Kreislauf fällt in den Keller. Du bist unterzuckert, müde, völlig fertig. Seit mehreren Kilometern denkst du, dass du es nicht bis ins Ziel schaffen wirst. Also warum nicht gleich aufgeben? Du bist ja in einer Stadt. Da gibt es öffentliche Verkehrsmittel, mit denen du ins Ziel fahren kannst, wo deine Familie ohnehin schon viel zu lange auf dich wartet.
Jack Daniels hat für solche Situationen in einem Wettkampf einen Rat:
Wenn es schwierig wird, dann erhöhe einfach das Tempo.
Das klingt natürlich nach einem Scherz. Ist aber keiner. So ein Wettkampf ist nicht nur für den Körper eine große Herausforderung, sondern auch für den Kopf. Oft denken wir, dass wir nicht mehr laufen können. Aber es könnte sein, dass unser Kopf da falsch liegt. Und wir wirklich schneller laufen könnten. Und dann kann es sein, dass wir uns plötzlich besser fühlen.
Das muss natürlich nicht funktionieren. Aber du kannst es ja versuchen.
Was hat das jetzt mit Unternehmertum zu tun?
Als Unternehmer hast du sicher schon einmal eine schwere Zeit gehabt. Also ich hatte mit Sicherheit schon mehrmals eine schwere Zeit als Unternehmer.
Und nicht selten habe ich ans Aufgeben gedacht. Habe gedacht, ich könnte hier und jetzt zusperren und mir woanders einen Job suchen. Kennst du das auch? Gibs zu, auch du hast schon wenigstens einmal daran gedacht, dich woanders zu bewerben. Bei mir kam noch dazu, dass ich sogar mit Sicherheit wußte, ich würde woanders einen Job bekommen. Und dafür auch noch mehr Gehalt als ich mit meinem Unternehmen verdienen konnte. Aber ich habe es trotzdem nicht getan.
Leider zeigt die Statistik, dass sehr viele Unternehmer, wenn es schwierig wird, aufhören. Jedes Jahr sperren um die 30.000 Unternehmen zu. Das sind fünf Prozent aller in Österreich aktiven Unternehmen. Die meisten Unternehmen, die zusperren, sind Unternehmen mit bis zu acht Mitarbeitern.
WHEN THE GOING GETS TOUGH, THE TOUGH GET GOING
Kennst du den Song von Billy Ocean aus dem Film “Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil”? Es ist auch der Leitspruch der Familie Kennedy. Wenn das Leben hart wird, dann kommen die Harten in Schwung.
Was können Unternehmer tun, um in Schwierigkeiten das Tempo zu erhöhen?
Es ist ja recht schön und gut, und auch einfach, Gas zu geben, wenn es läuft. Aber wenn es einmal nicht so läuft, dann zeigt sich, aus welchem unternehmerischen Holz du geschnitzt bist. Gibst du dann Gas? Vielleicht dann erst recht?
Ich denke, es ist immer gut, Gas zu geben. Ich bin ein leidenschaftlicher Gasgeber. Und ja, ich gebe immer Gas. Auch wenn es schwer wird. Zugegeben, wenn es wirklich hart ist und ich ans Aufgeben denke, kurz davor bin, dann darf man auch einmal eine Zeit lang Wunden lecken. Das ist schon ok. Aber irgendwann ist dann genug Trübsal geblasen und dann heißt es, wieder Gas geben.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es meistens dann schwer wird, wenn ich so weit war, die Schwierigkeiten zu überwinden. Das ist wie in diesen Computerspielen, wo du immer wieder in ein neues Level kommen willst. Du machst immer wieder einen neuen Versuch. Mit der Zeit kennst du alle Schwierigkeiten und Probleme eines Levels. Und irgendwann kannst du sie alle lösen. Dann wird dieses Level richtig einfach. Und dann kommst du ins nächste Level. Und das ist erst einmal wieder so richtig schwierig. Aber du lernst, auch mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden.
Ich glaube, das Leben testet dich auch immer wieder, ob du schon bereit bist für das nächste Level. Immer wieder kommen kleine Herausforderungen. Kannst du sie schon bestehen? Bist du bereit für das nächste Level? Wenn das Leben meint, so du bist jetzt so weit, dann merkst du das. Dann kommen nämlich die großen Schwierigkeiten. Ist das nicht schön? Dann bist du eine Stufe aufgestiegen. Du bist weiter als du vorher warst. Du bist gewachsen.
Als Unternehmer wollen wir das Wachstum doch. Im nächsten Jahr soll mehr Umsatz her, mehr Gewinn als heuer. Das bedeutet vielleicht, mehr Mitarbeiter. Ein größeres Büro. Mehr Maschinen. Um mehr Kunden zu akquirieren, muss vielleicht mehr Werbung gemacht werden. Mehr Kunden bedeuten vielleicht auch mehr Reklamationen und Beschwerden. Wachstum verursacht eben oft auch Schmerzen.
Manchmal kommen Veränderungen auch von außen. Neue Konkurrenten wollen den Markt erobern. Neue Technologien buhlen um deine Kunden. Neue Gesetze stellen neue Schranken für dein Geschäft auf. Als Unternehmer musst du lernen, Veränderungen zu lieben und dich daran anzupassen. Wer sich heute schneller als andere an geänderte Rahmenbedingungen anpassen kann, hat die Nase vorn. Das kann bedeuten, neue Strategien zu entwickeln, schnellere Entscheidungen zu treffen oder flexibler auf Markttrends zu reagieren. Bemerkst du eine Veränderung in deinem Marktumfeld? Dann erhöhe das Tempo und gehe den Problemen aktiv entgegen. Probleme sind dein Wachstumsmotor.
Irgendwie erinnert mich das gerade an das Buch “Who Moved My Cheese?” von Spencer Johnson. Auf Deutsch heißt das Buch “Die Mäusestrategie”. Es geht darin um Veränderungen. In der Geschichte gibt es zwei Mäuse und zwei Zwerge. Sie alle leben in einem Labyrinth und suchen nach Käse. Eines Tages ist der Käse nicht mehr da, wo er sonst immer ist. Die Mäuse beginnen sofort damit, den Käse zu suchen. Die Zwerge dagegen folgen der Strategie “Hoffnung”. Sie glauben daran, dass der einfach Käse irgendwann zurückkommen wird.
Wie reagierst du, wenn dein Käse plötzlich nicht mehr da ist? Suchst du neuen Käse oder wartest du darauf, dass der Käse zurückkommt?
Gerade dann, wenn sich die Dinge verändern, wenn es schwierig wird, wenn das Leben testet, ob du bereit bist für das nächste Level. Dann vertraue auf deine Stärken und gib Gas. Es ist wie beim Laufen. Plötzlich kann es sein, dass du merkst, da geht wirklich noch mehr.