Es war der 14. Oktober 2012. Ich saß – wie Millionen von Menschen weltweit – gebannt vor dem Fernseher, und sah zu, wie Felix Baumgartner Geschichte schrieb. Es war für mich als jemanden, der die Mondlandung nicht live miterlebte, ein wahrscheinlich vergleichbares Gefühl.
Am Fernseher verfolgte ich jeden Moment, als Felix Baumgartner in seiner speziell angefertigten Kapsel, die an einem gigantischen Heliumballon befestigt war, langsam in die Stratosphäre aufstieg. Ich hatte dabei schon ein mulmiges Gefühl.
Was war nicht in der Vorbereitung zu dem Sprung passiert: Beim ersten Test bereitete die Kälte Baumgartner Probleme. Er seine konnte Hände kaum noch bewegen. Beim zweiten Testsprung öffnete sich der Fallschirm der Kapsel nicht vollständig und sie schlug mit 80 km/h auf und wurde beschädigt. Der geplante Sprung musste dadurch verschoben werden. Der nächste geplante Tag für den Rekordsprung war der 8. Oktober 2012. Damals passte das Wetter aber nicht und der Sprung wurde auf den 9. Oktober verschoben. Bei diesem Versuch drückte eine Windböe den Ballon unmittelbar vor dem Start zu Boden. Der Start wurde als zu riskant abgebrochen.
Letztlich wurde der Sprung am 14. Oktober 2012 durchgeführt, dem 65. Jahrestag des ersten Überschallflugs. Auch an diesem Tag musste der Start mehrmals verschoben werden, weil der Wind zu stark war.
Es war dann ein ruhiger Aufstieg, wie die Ruhe vor dem Sturm. Dann hatte die Kapsel endlich eine Höhe von 39 Kilometern erreicht. Es war stockdunkel und ich konnte vom Fernseher aus die Kälte der Stratosphäre förmlich spüren. Ich sehe, wie Felix Baumgartner von der Stratosphäre auf die Erde herunter schaut. Ein kleiner Punkt in der Ferne, umgeben von der Unendlichkeit des Weltraums. Der Moment der Wahrheit war gekommen. Die Kapsel öffnet sich. Von diesem Moment an ist er nicht mehr nur ein Mensch, sondern ein Symbol für das Unmögliche. Ich höre ihn sagen: „Ich gehe jetzt nach Hause“. Dann tritt er aus der Kapsel und findest sich im freien Fall wieder.
Er erreichte eine Geschwindigkeit von 1357,6 km/h und durchbrach im freien Fall die Schallmauer. Ein Meilenstein in der Geschichte, und doch ein gefährlicher Moment der Unkontrolliertheit.
Besonders dramatisch wurde es, als er die Kontrolle über seine Flugposition für etwas mehr als 40 Sekunden verlor. Die Rotationen werfen ihn herum. Er kämpft darum, die Kontrolle zurückzugewinnen und bewegt seine Arme hektisch im Versuch, wieder eine stabile Fluglage zu erreichen. Nach endlos erscheinenden eineinhalb Minuten gelang es ihm schließlich, sich zu stabilisieren.
Nach 4 Minuten und 20 Sekunden im freien Fall, nur noch 1585 Meter über dem Boden, öffnet er den Fallschirm und gleitet sanft zurück zur Erde. Die Bilder von diesem historischen Sprung, der die Grenzen des Möglichen verschob, werden für immer in den Köpfen der Menschen bleiben. Es war ein Triumph des menschlichen Geistes, unterstützt durch die technische Brillanz und das kühne Marketing von Red Bull, das wieder einmal bewies, dass „Red Bull Flügel verleiht.“
Für uns Unternehmer ist das mehr als nur ein spektakuläres Ereignis. Es ist eine Lektion in der Macht des Storytellings. Die Art und Weise, wie Red Bull seine Markengeschichte durch solche unglaublichen menschlichen Leistungen erzählt, bietet uns wertvolle Einblicke, wie wir unsere eigenen Marken durch Geschichten präsentieren können.
In der heutigen wettbewerbsorientierten Geschäftswelt reicht es nicht mehr aus, ein gutes Produkt oder eine gute Dienstleistung zu haben. Es geht darum, eine Verbindung herzustellen. Mit Geschichten kannst du auf einer emotionalen Ebene mit deinen Kunden in Kontakt treten und dein Unternehmen von der Konkurrenz abheben. Eine gute Geschichte festigt die Identität und die Werte deiner Marke. Die Menschen werden sich an deine Marke leichter erinnern und deine Geschichten im besten Fall teilen.
In diesem Artikel werden wir die Welt des Storytellings erkunden. Wir werden uns anschauen, wie wir Geschichten nutzen können, um unsere Marken zu definieren, unser Publikum zu begeistern und uns in einer überfüllten Marktnische hervorzuheben.
Warum Storytelling?
In einer Welt, die mit Informationen überschwemmt ist, liegt der Schlüssel zum Erfolg darin, aus der Menge herauszustechen und eine tiefe Verbindung mit der Zielgruppe herzustellen. Storytelling ist nicht das Werkzeug, um eine unverwechselbare Marke aufzubauen.
Menschen vertrauen Marken, die authentisch und transparent sind. Mit einer guten Geschichte kannst du deine Werte und deine Mission mit deinen Kunden teilen. Entscheidungen werden auf einer emotionalen Ebene getroffen. Geschichten sprechen die Emotionen an und beeinflussen somit die Entscheidungen deiner Zielgruppe. Wenn deine Kunden durch eine Geschichte emotional berührt sind, werden sie eher bei dir kaufen. Storytelling ist daher kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für alle Unternehmer, die in der heutigen dynamischen Geschäftswelt erfolgreich sein wollen.
Die Grundlagen des Storytellings
Wir Menschen haben immer schon Geschichten geliebt. Denk doch einmal zurück an deine Kindheit. Kannst du dich nicht auch an die Geschichten erinnern, die jemand am Lagerfeuer erzählt hat und die so spannend waren, dass du dachtest, du erlebst die Geschichte gerade selbst mit? Heute konsumieren wir gute Geschichten zum Beispiel, wenn wir ins Kino gehen. Aber was sind die Elemente einer guten Geschichte? Tatsächlich kann jeder eine gute Geschichte erzählen, wenn er sich dabei an ein paar wenige Elemente und Strukturen hält.
Beim Marketing geht es nicht mehr um die Dinge, die man herstellt, sondern um die Geschichten, die man erzählt. – Seth Godin
Zunächst einmal brauch jede Geschichte einen Helden, mit dem das Publikum sich identifizieren oder zumindest sympathisieren kann. Wenn du als Unternehmer eine Geschichte erzählen möchtest, dann empfehle ich dir, dass du deine Kunden in den Mittelpunkt der Geschichte stellst, also den Kunden zum Helden machst. Ganz wichtig ist, dass der Held einen Konflikt überwinden muss. Konflikte schaffen Spannung und Interesse. Sie repräsentieren Herausforderungen, die überwunden werden müssen, und treiben die Handlung voran. Die Lösung des Konflikts liefert eine befriedigende oder lehrreiche Auflösung und oft auch eine moralische oder eine Lektion. Die Lösung des Konflikts könnte für dich als Unternehmer das Produkt oder die Dienstleistung sein, die dein Kunde von dir bekommt.
Die Heldenreise
Eine beliebte Struktur für eine Geschichte ist die Heldenreise. Die Heldenreise lehnt sich an antike Heldenepen an. Es gibt verschiedene Strukturen für die Heldenreise. Ich möchte dir hier die den Zyklus der Heldenreise nach Christopher Vogler vorstellen. Christopher Vogler ist US-amerikanischer Drehbuchautor und Publizist. Er ist Leiter der Stoffentwicklungsabteilung von 20th Century Fox. In seinem Buch „The Writer’s Journey“ (Odyssee des Drehbuchschreibers, 1998) beschreibt er Erzählstrukturen. Vogler entwarf die Heldenreise als Anleitung für Drehbuchautoren. Diese Anleitung fand bei vielen Hollywood Filmen Beachtung. Die Heldenreise nach Vogler hat 12 Stationen (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Heldenreise):
- Ausgangspunkt der Heldenreise ist die gewohnte, langweilige oder unzureichende Welt des Helden („Gewohnte Welt“).
- Der Held wird von einem Herold zum Abenteuer gerufen („Ruf des Abenteuers“).
- Diesem Ruf verweigert er sich zunächst („Weigerung“).
- Ein Mentor überredet ihn daraufhin, die Reise anzutreten, und das Abenteuer beginnt („Begegnung mit dem Mentor“).
- Der Held überschreitet die erste Schwelle, nach der es kein Zurück mehr gibt („Überschreiten der ersten Schwelle“).
- Der Held wird vor erste Bewährungsproben gestellt und trifft dabei auf Verbündete und Feinde („Bewährungsproben“).
- Nun dringt er bis zur tiefsten Höhle, zum gefährlichsten Punkt, vor und trifft dabei auf den Gegner („Vordringen zum empfindlichsten Kern“).
- Hier findet die entscheidende Prüfung, die Feuerprobe statt: Konfrontation und Überwindung des Gegners („Entscheidende Prüfung“).
- Der Held kann sich nun des „Schatzes“ oder des „Elixiers“ (konkret: ein Gegenstand oder abstrakt: besonderes, neues Wissen und seelische Reifung des Selbsts) bemächtigen („Belohnung“).
- Er tritt den Rückweg an, während dessen es zu seiner Auferstehung (Resurrektion) aus der Todesnähe kommt („Rückweg“ und „Auferstehung“).
- Der Feind ist besiegt, das Elixier befindet sich in der Hand des Helden. Er ist durch das Abenteuer zu einer neuen Persönlichkeit gereift („Wandel des Selbst (Individuation)“).
- Das Ende der Reise: Der Rückkehrer wird zu Hause mit Anerkennung belohnt.
Kommt dir diese Struktur bekannt vor? Ich persönlich finde, dass man diese Struktur am Schönsten bei dem Film „Der Herr der Ringe“ erkennt.
Archetypen
Neben der Struktur der Heldenreise wirst du in deiner Geschichte auch auf so genannte Archetypen zurückgreifen. Archetypen sind Charaktere, die in Geschichten aller Kulturen und Zeitalter vorkommen. Sie repräsentieren bestimmte Eigenschaften und Rollen, die wichtig für die Entwicklung der Geschichte und die Reise des Helden sind. Klassische Archetypen sind der Held, der Mentor, der Gefährte, der Krieger, der Narr, der Magier, der Herrscher.
Storytelling in der Praxis
Viele bekannte Unternehmen setzen Storytelling ein, um ihre Marke zu stärken. Zum Beispiel Apple, Red Bull oder BMW. Ihre Geschichten handeln von Innovation, Überwindung von Grenzen und Exzellenz.
Die Erzählungen von Apple drehen sich um Innovation, Benutzerfreundlichkeit und Design. Wie bereits am Beginn dieses Artikels erwähnt, ist Red Bull ein Meister des Storytellings im Bereich Extremsport und Abenteuer. Das Unternehmen kreiert dadurch aufregende Geschichten, bei denen es darum geht, die Grenzen des Möglichen herausfordern. Dadurch wird Red Bull als Synonym für Energie und Abenteuer positioniert. BMW erzählt Geschichten von Exzellenz, Präzision und Freude am Fahren. In seinen Werbekampagnen stellt BMW die emotionale Verbindung zwischen Autos und dem Streben nach Perfektion her.
Was ist dein Thema und welche Geschichten kannst du erzählen?
Kanäle für deine Geschichten
Du kannst heute aus einer Vielzahl von Kanälen und Plattformen auswählen, auf denen du deine Geschichten erzählen kannst.
Zum Beispiel auf deinem Unternehmensblog. Hier kannst du Artikel, Interviews und Fallstudien veröffentlichen. Du kannst die Herausforderungen, Erfolge und die Menschen hinter deiner Marke vorstellen. Natürlich eignen sich Plattformen wie Instagram, Facebook und LinkedIn durch Posts, Fotos und Videos, Geschichten zu teilen. Auf Social Media kannst du deine Geschichten in Echtzeit erzählen und mit deinen Kunden sogar interagieren. Ein besonders mächtiges Medium für Storytelling ist Video. Durch die Kombination von visuellen Bildern, Sound und Erzählung kannst du hoch emotionale Geschichten erzählen.
Schritte zur Erstellung deiner eigenen Geschichten
Bist du jetzt bereit, deine eigene Geschichte zu erzählen? Hier möchte ich dir noch ein paar praxisrelevante Schritte geben, wie du zu einer guten Geschichte kommst.
Bevor du mit dem Erzählen beginnst, ist es entscheidend, dass du die klar machst, wer deine Zielgruppe ist. Wer soll deine Geschichte lesen, hören oder sehen? Was sind die Bedürfnisse, Interessen und Herausforderungen deiner Zielgruppe? Eine gute Geschichte sollte nicht nur den Kopf, sondern ganz besonders die Herzen deiner Zuhörer ansprechen.
Jede Geschichte sollte einen klaren Fokus oder eine Kernbotschaft haben. Was ist die Hauptbotschaft, die du übermitteln möchtest? Was ist das Herzstück deiner Geschichte?
Authentizität ist im Storytelling entscheidend. Sei echt und teile wahre Geschichten aus deiner Erfahrung. Deine Zuhörer können Unaufrichtigkeit erkennen, daher ist es wichtig, authentisch zu sein. Jeder Unternehmer und jedes Unternehmen hat eine einzigartige Stimme. Versuche nicht, eine andere Marke zu imitieren, sondern finde und pflege deine eigene Stimme.
In guten Geschichten geht es immer um Konflikte oder Herausforderungen. Zeige, wie dein Unternehmen die Herausforderungen oder Probleme deiner Kunden löst. Dabei tritt der Kunde als Held in den Mittelpunkt der Geschichte und dein Unternehmen steht dem Helden als Mentor zu Seite.
Verwende, wenn dein Kanal es erlaubt, Bilder oder Videos. Nutze die bewährte Erzählstruktur der Heldenreise. Egal auf welchem Kanal du deine Geschichte erzählst, die Kernbotschaft sollte konsistent bleiben. Dies hilft, eine starke und erkennbare Marke aufzubauen.
Fazit
Storytelling ist eine leistungsstarke Methode, um eine tiefe Verbindung zu deiner Zielgruppe herzustellen, Vertrauen zu schaffen und eine starke Marke aufzubauen. Durch das Teilen authentischer Geschichten kannst du die Kernwerte und die Mission deines Unternehmens auf eine Weise präsentieren, die Resonanz erzeugt und in Erinnerung bleibt.
Jetzt bist du an der Reihe: Beginne damit, deine eigene einzigartige Stimme zu finden, und erarbeite Geschichten, die deine Marke widerspiegeln. Die Welt ist voller Geschichten, und deine einzigartige Perspektive ist genau das, was deine Kunden hören wollen.
Ich lade dich ein, deine Gedanken und Erfahrungen im Bereich des Storytellings zu teilen. Hinterlasse gerne einen Kommentar, teile diesen Artikel mit deinem Netzwerk oder schreib mir direkt, wie du die Kunst des Storytellings in deinem Unternehmertum umsetzen willst.
P.S. Weiterführende Ressourcen für deinen Storytelling-Weg
Bücher:
„The Storytelling Edge“ von Joe Lazauskas und Shane Snow: Eine fantastische Ressource, um zu verstehen, wie man Geschichten erzählt, die sich bewegen und konvertieren.
„Building A StoryBrand“ von Donald Miller: Dieses Buch zeigt, wie man eine klare Botschaft erarbeitet, die die Menschen verstehen und sich darauf einlassen können.
„Storytelling für Unternehmen“ von Miriam Rupp
Kurse und Workshops:
Storytelling für Unternehmer auf Udemy: Lerne, wie du Geschichten erzählst, die Kunden und Investoren anziehen.
Webseiten:
Storytelling.com: Eine Plattform, die dir hilft, die Geschichten deines Unternehmens in ansprechende Erzählungen zu verwandeln.
Videos:
TED Talks über Storytelling: Eine Sammlung von TED-Vorträgen von einigen der besten Geschichtenerzähler der Welt.